Egal ob in den eigenen vier Wänden, Arbeitsplatz. im Krieg oder im friedlichen Vorort:
Gewalt gegen Frauen bleibt allgegenwärtig und sichere Orte sind leider zu wenige.
Im vergangenen Jahr wurden laut Statistik des Bundeskriminalamtes in Deutschland 160 Frauen von ihren Ehemännern, Partnern und Ex-Partnern getötet.
Das eigene Zuhause ist damit für Frauen in Deutschland der gefährlichste Ort, erklärte die Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser (ZIF) am Mittwoch zum »Internationalen Tag für die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen«. Gleichzeitig bleiben Unterstützung und Schutz oft »lückenhaft und wenig wirksam«.
Ein besonderes Augenmerk lag in diesem Jahr auf der Situation geflüchteter Frauen. Zu sexuellen Übergriffen komme es auch im Alltagsleben, erklärte die Sprecherin des Brandenburger Flüchtlingsrates, Ivana Domzet in Potsdam. »Aber in Sammelunterkünften treten diese konzentrierter und in vermehrter Form auf. Denn dort haben Menschen kaum Rückzugsmöglichkeiten und sind extremen Alltagssituationen, Enge und Stress ausgesetzt.«
Suchen sie Schutz vor Übergriffen, bleibt geflüchteten Frauen jedoch der Zugang zu Frauenhäusern oft versperrt. Die fehlende Kostenübernahme durch die Jobcenter führt laut ZIF dazu, dass die Frauenhäuser entweder selbst für die Kosten aufkommen oder keine Frauen mit prekärem Aufenthaltsstatus aufnehmen können.
Dabei besteht für allein reisende Flüchtlingsfrauen mit und ohne Kindern in Sammelunterkünften die Gefahr, erneut Opfer von Übergriffen und Gewalt zu werden – auch durch Mitarbeiter der Sicherheitsdienste und ehrenamtliche Helfer. »Es gibt keine Frau, die nicht eine Geschichte von aufdringlichen Blicken, widerlichen Kommentaren, unerwünschtem Anfassen oder Vergewaltigung erzählen könnte«, erklärte die Flüchtlingsselbstorganisation »Woman in Exile« anlässlich des Gedenktages am Mittwoch in Potsdam.
»In vielen Heimen herrscht unter Flüchtlingsfrauen ein Klima der Angst, weil Betroffene nur wenig bis gar keine Hilfe finden«, sagte Flüchtlingsfrau Halima, die aus Somalia nach Deutschland flüchtete und in Teltow untergebracht ist. Der Flüchtlingsrat Brandenburg und »Women in Exile« fordern deshalb, Flüchtlingsfrauen nicht mehr in Massenunterkünften unterzubringen. »Frauen in den sogenannten Gemeinschaftsunterkünften kämpfen dort um etwas, was wir dort nicht finden können: einen sicheren Ort«, schildert Elisabeth Ngari, eine der Gründerinnen von »Woman in Exile«. Die Organisation kämpft seit langem für das Recht, in privaten Wohnungen zu leben.
»Jede Frau hat ein Recht auf Schutz vor Gewalt«, erklärt zum UN-Gedenktag auch der AWO-Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler. Dieser Schutz sei in Deutschland nicht gewährleistet. Stadler forderte Bund, Länder und Kommunen auf, zügig geeignete Maßnahmen umzusetzen, damit betroffene geflüchtete Frauen Unterstützung erfahren.
Dabei haben gerade sie überwiegend bereits Gewalt in ihren Herkunftsländern oder auf ihrem Weg erleben müssen. So würden jedes Jahr weltweit 14 Millionen Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag zwangsverheiratet, sagte Christa Stolle, Vorsitzende von »Terres de Femmes« am Mittwoch. Dadurch werde ihnen die Kindheit genommen. Zudem würden sie häufiger Opfer von häuslicher Gewalt als ältere Frauen und hätten oft keine Chance auf einen Bildungsabschluss.
In Konfliktgebieten gehören zudem Vergewaltigungen nach wie vor zur Kriegstaktik. In der Demokratischen Republik Kongo werden nach UN-Angaben jeden Monat 1100 Vergewaltigungen verzeichnet. Seit Beginn des bewaffneten Konflikts sind schätzungsweise 200 000 Frauen Opfer sexualisierter Gewalt geworden. Auch in Polizeigewahrsam sind Frauen oftmals Gewalt ausgesetzt.
Ob in Kriegsgebieten oder im eigenen Zuhause, ob auf der Straße oder am Arbeitsplatz – 70 Prozent aller Frauen haben irgendwann einmal in ihrem Leben körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren, heißt es in einer Erklärung der Vereinten Nationen. »Viel zu häufig bleiben die Täter unbestraft. Wir müssen die Angst und die Scham bekämpfen, die die Opfer zusätzlich bestraft. Es sollten die Täter sein, die sich geschändet fühlen, nicht ihre Opfer«, sagte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon am Mittwoch.
Beitrag aus Neues Deutschland/ Sozialistische Tageszeitung
vom 26.11.2015