Ein Gastbeitrag von Maja Tiegs.
Am 6. Juni beginnt das ›Jahr 3 nach Snowden‹. Dann sind zwei Jahre seit den ersten Berichten der Enthüllungen Snowdens vergangen. Zwei Jahre der Gewissheit, wie umfassend wir von deutschen und ausländischen Geheimdiensten überwacht werden.
Welche Bilanz kann man nach zwei Jahren ziehen? Was hat unsere Regierung getan, um die Bevölkerung vor der Überwachung durch ausländische Geheimdienste zu schützen?
Die Antwort ist ernüchternd
Bereits knapp zwei Monate nach den ersten Enthüllungen Snowdens erklärte der damalige Kanzleramtschef Ronald Pofalla die ›NSA-Affäre‹ für beendet. Man arbeite an einem ›No-Spy-Abkommen‹ mit den USA. Der Bürger sollte offenbar beruhigt werden.
Inzwischen wissen wir, es ging in großem Umfang um eine Täuschung – um nicht zu sagen: Der Bürger wurde nach Strich und Faden belogen. Es gab nie konkrete Pläne für ein derartiges Abkommen, weil die USA schlicht kein Interesse daran hatten.
Im Oktober desselben Jahres wurde dann bekannt: Das Handy von Bundeskanzlerin Merkel stand auf den Abhörlisten der NSA. Nun war die Empörung auf Seiten der Regierung schon größer. Immerhin wurde die Kanzlerin abgehört, nicht irgendein dahergelaufener Normalmensch:
«Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht!»
Aber dann hat sich doch sicher endlich etwas getan?
Davon kann leider keine Rede sein.
Immerhin wurde vom Bundestag unterdessen ein NSA-Untersuchungsausschuss eingerichtet, welchem aber größtmögliche Steine in den Weg gelegt werden. Stattdessen wurde enthüllt, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) der NSA offenbar aktiv dabei geholfen hat, bei deutschen Unternehmen Industriespionage zu betreiben. Wozu brauchen wir nochmal einen Geheimdienst, wenn dieser aktiv gegen die arbeitet, die er vor Gefahren schützen soll?
Immerhin sind in diesen zwei Jahren Datenschutz und Schutz der Privatsphäre gefühlt mehr ins öffentliche Licht gerückt. Es hat sich aber andererseits politisch nichts verbessert, um derlei Rechte durchzusetzen. Im Gegenteil. Vor wenigen Tagen wurde das nächste Überwachungsgesetz im Bundestag auf den Weg gebracht: Die Vorratsdatenspeicherung. Mit ihr wird das Recht, über seine eigenen Daten selbst zu bestimmen (informationelle Selbstbestimmung), faktisch abgeschafft, und ebenso – das ist noch viel schlimmer – die für jeden Menschen geltende Unschuldsvermutung.
Das geht gar nicht!
Die Regierung verwandelt unsere Demokratie mit der Vorratsdatenspeicherung ein Stück weit mehr in einen repressiven Überwachungsstaat, in dem jedermann jederzeit überall überwacht wird. Überwachung führt zu Selbstzensur, zum Verlust von Freiheit, zu Angst.
Der Beginn des Jahres drei nach Snowden ist also so weit von ›Happy New Year‹ entfernt wie nur überhaupt möglich.
Und Snowden selbst? Kann man ihm verübeln, dass er Schutz in der nicht-ganz-so-lupenreinen Demokratie Russland gesucht hat? Das wird ihm oft vorgeworfen.
Die Frage ist: Wohin hätte er sonst gehen sollen? Er hat 21 Asylanträge gestellt, darunter für Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Island, Italien, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, die Schweiz, viel gerühmte europäische Demokratien also. Die Antwort war jedes Mal: ABGELEHNT!
Angebote für Asyl hatte Edward Snowden nur aus Bolivien, Venezuela und eben Russland. Wer als Europäer Snowden also nun vorwirft, dass er nach Russland geflohen ist, sollte seine Regierung vielleicht fragen, warum sie nicht bereit war, ihm diesen Schutz zu gewähren.
So bleibt Snowden in meinen Augen ein moderner Held, wenn auch ein tragischer. Ein junger Mensch, der alles auf eine Karte gesetzt hat, weil er die Machenschaften der Geheimdienste nicht mehr ertragen und verschweigen konnte.
Für mich ist er ein Vorbild.