Mit Blick auf den Ausgang der Bundestagswahl und der sich anschließenden Ost-West-Debatte “Die Ossis sind Schuld”, muss man feststellen, dass auch im Jahre 27 der Deutschen Wiedervereinigung und dem 28 Jahr des Falls der Mauer von einer Einheit noch lange nicht gesprochen werden kann.
Als jemand der mit seinen 37 Jahren zu einer Generation gehört die 3/4 ihres Lebens in einem wiedervereinten Deutschland lebt, sehe ich aber auch, dass es immer noch eine Teilung gibt. Für die gleiche Arbeit bekomme ich weniger als die Leute meines Jahrgangs, die in NRW oder Bayern leben. Dass das nur bedingt gerecht ist, kann man wohl nachvollziehen. Schlimmer ist es bei den Generationen, die beim Fall der Mauer noch nicht einmal geboren waren. Und wenn wir das schon für ungerecht halten, wie ist es dann erst für die Generation, die älter ist als wir? Unterschiedliche Tarife in Ost-West, ungleiche Renten in Ost-West, ungleicher Mindestlohn in Ost-West. Und wir schreiben das Jahr 27 nach der Wiedervereinigung. Dass sich da in der älteren Generation der Frust breit macht, finde ich persönlich durchaus nachvollziehbar.
Dass sich dieser Frust nun zu einer Partei entlud, die die Grenzen wieder einführen will und auch sonst keine Antworten auf diese Probleme hat, kann uns als Demokraten nicht kalt lassen. War es doch vor 28 Jahren der Wunsch nach Freiheit, der den Fall der Mauer, die uns Deutsche und Europa teilte, herbeiführte. Denn was bei dem Wunsch nach Grenzen immer wieder vergessen wird, dass sie immer in beide Richtungen gehen. Sie schotten nicht nur nach außen ab, sondern schließen uns auch ein. Ich selbst kenne die Grenzen, die langen Wartezeiten, wenn man eine passieren will und das kontrolliert werden/ausgeliefert sein, noch aus eigener Erfahrung. Grenzen zu passieren war mit Frust verbunden. Und da ging es nur um normale Grenzkontrollen und nicht die, die uns in zwei Deutsche Staaten teilte. Daher empfinde ich auch große Abneigung, wenn ich nur an Grenzen denke. Grenzen schränken auch das Denken ein, sie kosten Überwindung, wenn man sie passieren will. Grenzen bedeuten Unfreiheit!
Ein Satz aus dem Interview mit Matthias Platzeck zum Tag der deutschen Einheit ließ mich aufhorchen, da er mir auch öfter im Bundestagswahlkampf begegnete. Die Furcht im Alter allein zu sein, da die Kinder und Enkel in den Westen gingen und sich da ein neues Leben aufbauten. Nun haben wir mit meiner Oma auch einen Pflegefall in der Familie, wo wir uns um sie kümmern, damit sie nicht in ein Pflegeheim muss. Meine Familie gehört damit, wie typisch für Brandenburg, zu den Familien, die das so tun. Nur was ist, wenn man zu den vielen Familien gehört, wo die Kinder und Enkel weg sind? Wenn ich meinen Jahrgang ansehe, dann gehöre ich zu den 50% die ihr Glück nicht in der Ferne suchten. Bei den anderen blieben die Eltern hier. Und man kann sich vorstellen, wie viele das im Alter betrifft.
Niedrige Rente wegen der unterbrochenen Erwerbsbiographie, keine Verwandten, die noch in der Nähe sind. Das ist hier ein immer größeres Problem. Dass man da dann, auch wenn es einem gerade noch gut geht, sich sorgen um das eigene Leben und Alter macht, ist mehr als verständlich.
Altersarmut und Pflege sind zwar generell gesamtdeutsche Probleme, aber sie sind eben durch den Wandel der letzten Jahrzehnte im Osten weit präsenter und begegneten einen den ganzen Wahlkampf über. Im Wahlkampf nahm man diese Sorgen in der Bevölkerung deutlich wahr.
Auch das Problem, eine Wohnung zu finden oder sich leisten zu können, war Dauerthema. Nun muss man wissen, dass der Bund ab 2019 aus dem sozialen Wohnungsbau aussteigen will. Hier baut man, ähnlich wie damals bei dem Kooperationsverbot bei der Bildung, an einem Problem, bzw schafft sich eins für die Zukunft! Den Bürger interessiert nicht, dass das mal so beschlossen wurde, sondern ihn interessiert, ob er eine Wohnung findet oder eben nicht!
Und anstelle das generell zu thematisieren und vielleicht zu korrigieren, fand das Thema einfach im Wahlkampf nicht statt! Dass stattdessen medial der Kampf um Platz drei in den Vordergrund rückte, führte auch zu dem Ergebnis, dass man jetzt eine Ost-West-Deabatte führt. Und das ist schade. Denn die generellen Probleme verschwinden ja deswegen nicht und finden durch die Wahl auch im zukünftigen Bundestag nur bedingt statt! Und das sollte man wirklich bedauern.
Mathias Täge, Bundestagskandidat 2017 im Wahlkreis 60
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Ein Kommentar zu Tag der Deutschen Einheit – (k)ein Tag der Freude
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